Cembalo-Rezital
zum
300. Todesjahr von Alessandro Scarlatti
Alessandro Scarlatti (Sizilien 1660 – Neapel 1725) gilt als Vertreter der neapolitanischen Schule zweifelsohne als wichtiger Innovator der Barockmusik. Besonders auf dem Gebiet der Oper (über 100 Werke), des Oratoriums (über 150 Werke) und der Kantate (ca. 800 Kompositionen) schafft er Neues, das in die Zukunft weist. Auch in der Instrumentalmusik bringt er Entwicklungen voran: So gelten seine Sonate a quattro als Vorläufer des Streichquartetts.
Weniger bekannt und weniger umfangreich ist Scarlattis Schaffen für Tasteninstrumente: Etwa 50 Kompositionen sind überliefert, davon um die 40 Toccaten. Die Gattung der Toccata nimmt also die zentrale Stellung in Scarlattis Musik für Tasteninstrumente ein. Bis auf sehr wenige Ausnahmen sind alle Stücke für das Cembalo komponiert. So lautet auch der Titel der Hauptquelle: Toccate per Cembalo … del Sig. Cavaliere Alessandro Scarlatti.
Und genau diesen Toccaten widme ich mich in diesem Programm.
Beschränkt sich Scarlatti einerseits äußerlich auf eine einzige Gattung, eröffnet er andererseits unter der Bezeichnung Toccata eine schier unendliche Vielfalt. In ihrer Form gleicht keine Toccata der anderen!
So gibt es Toccaten, die in ihrem Aufbau fest in der Tradition stehen: einsätzig, mit kontrastierenden Abschnitten. Jedoch wesentlich interessanter und zahlreicher sind die Beispiele, die keine Vorbilder haben:
Scarlatti integriert in die Toccata A-Dur einen Tanzsatz der Suite: eine Giga.
Die Toccata d-Moll umfasst eine Aria alla francese. Hier verwendet Scarlatti durchgängig Punktierungen und imitiert die französische Spielart der notes inégales.
Besonders in Form und Umfang sticht aber die Toccata per Cembalo d‘ottava stesa von 1723 heraus: Mit über zwanzig Minuten Dauer ist sie das längste Stück in Scarlattis Werk und in meinem Programm. In ihr vereinigt er ein ausgedehntes dreiteiliges Preludio (Presto/Adagio/Presto), dem eine Fuga mit Adagio folgt. Die meisten Werke der Gattung Toccata und Fuge enden hier. Nicht so in dieser Toccata: Als hätte Scarlatti noch nicht genug gesprochen, noch nicht genug musikalische Erzählungen ausgeführt, folgen an dieser Stelle ausgedehnte Follia-Variationen: 29 an der Zahl! Und als Zeichen seines schier unerschöpflichen Erfindungsreichtums lässt er dieses Werk im Halbschluss enden, so als wolle er andeuten, dass es noch endlos weitergehen könnte! Ein musikalisches et cetera!
In Scarlattis Schaffen für Tasteninstrumente finden wir neben den Toccaten einzig die Gattung der Fuge. Wie oben erwähnt wird die Fuge einerseits als Abschnitt in die Toccata integriert. Andererseits gibt es wenige Fugen, die als Einzelsätze überliefert sind. Diese sind meist zweistimmig und mit wenigen kontrapunktischen Techniken angereichert – ganz anders, als wir es von Zeitgenossen beispielsweise in Deutschland kennen.
Um Alessandro Scarlatti noch aus weiteren Blickwinkeln zu würdigen, ergänze ich das Programm um zwei weitere Komponisten:
Zum einen spiele ich Toccata per Cimbalo und Fuga g-Moll von Johann Adolph Hasse (1699-1783), einem Schüler Scarlattis, die deutlich in der Tradition seines Lehrers steht.
Und nicht zuletzt soll auch Musik von Sohn Domenico Scarlatti erklingen. Obwohl Domenico selber einen einzigartigen, unverwechselbaren Clavierstil entwickelt hat, lassen sich doch bereits bei Alessandro in manchen Takten Parallelen zu Domenicos Stil erkennen: Alessandro kennt bereits das Überkreuzen der Hände (Toccata A-Dur), Sprünge über mehrere Oktaven (Toccata c-Moll) sowie Acciaccaturen. Das finden wir auch ausführlich bei Domenico. Ausgewählt habe ich Domenicos Sonata K 141, die manchmal auch als Toccata bezeichnet wird.